Just a thought

Nikolay
6 min readMay 6, 2022

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Wir sind uns darüber im Klaren, dass der Fortbestand jeder (gewählten) Regierung allein von der Zustimmung der Regierten abhängt. Wir verstehen auch, dass dieser Grundsatz, der einer humanitären Vision entspringt, nicht für eine Bevölkerung gilt, die von einem diktatorischen Regime beherrscht wird, das autoritären Fantasien entspringt.

Es ist daher logisch, dass eine Bevölkerung, die sich massenhaft gegen diktatorische Unterdrückung und für eine humanitäre Form der gewählten Regierung entscheidet, damit einverstanden ist, weitere und noch drastischere Unterdrückung zu ertragen, als ihr bisher zugefügt wurde.

Außerdem ist es logisch, dass diejenigen, die das Glück haben, ihre Träume unter einer gewählten Regierung zu verwirklichen, die den Wählern verpflichtet ist und nicht die absolute Macht über ihr Volk hat, ihre Stimme erheben und alle materiellen Mittel einsetzen, die ihren Sicherheitsdiensten zur Verfügung stehen (z. B. Armee, Luftwaffe, Marine, Marineinfanterie, freiwilliges und professionelles medizinisches Korps), um die unterdrückte Bevölkerung zu verteidigen, die rechtlich und praktisch keinen Zugang zu den Sicherheitsdiensten hat, weil der Diktator, der diese Dienste kontrolliert, nicht verpflichtet ist, seine absolute Macht mit den Bürgern zu teilen, die unter dem Joch der Unterdrückung leiden, das er errichtet und aufgebaut hat.

Die Entscheidung, den Mitmenschen die Stimme und das Material zu geben, um sie von einem repressiven Regime zu befreien, hängt unter anderem davon ab, wie weit man im Dialog oder im Kampf gegen eine Diktatur (und gegen ihre wiederholten, gewaltsamen Übergriffe) als frei entscheidende Bevölkerung gehen will. Dabei spielt das Selbstbewusstsein der Gruppe eine entscheidende Rolle. Fehlt das einheitliche Selbstbewusstsein der demokratisch geführten Bevölkerung, wird keine Entscheidung getroffen. In diesem Fall gibt es keine Aktion, sondern nur eine Reaktion.

In einem Szenario, in dem ein demokratisches Land oder ein Bündnis demokratischer Länder, die jeweils eine gewählte Regierung “tolerieren”, solange diese ihren kollektiven Willen erfüllt, nur reagiert und nicht agiert, weil die Bevölkerung sich nicht zu einer Entscheidung durchringen kann, ist eine entschlossene Diktatur in der Lage, die Führung des demokratischen Landes oder des Bündnisses zu übernehmen oder so weit zu beeinflussen, dass sie gegenüber der Bereitschaft des autoritären Diktators zum aggressiven Handeln passiv bleibt. Entscheidet sich jedoch das demokratisch geführte Land oder Bündnis (z.B. durch ein Referendum), die Unterdrückten mit allen Mitteln zu unterstützen, muss sich die Bevölkerung bewusst sein, dass jede Intervention, die die Phantasien eines Diktators unterbricht, schwerwiegende Folgen haben wird. Die Angst spielt dabei eine entscheidende Rolle.
Die Frage ist nun, welcher Weg wird gewählt — solange man noch in der Lage ist, überhaupt seine Stimme abzugeben? Wird Selbstbewusstsein und Entschlossenheit tatsächlich geäußert, oder wird die Angst so groß, dass der Einzelne lieber seine eigene Stimme enthält und somit den Unterdrückten den Rücken kehrt?
Und wenn wir — die Unentschlossenen, die Verängstigten, die Verwöhnten — offen und in aller Öffentlichkeit zusehen müssen, wie ein Krieg gegen die Demokratie, gegen die Wahlfreiheit und gegen jede Vernunft geführt wird — einschließlich Serienvergewaltigungen, dem vorsätzlichen Legen von Minen und anderen feigen, brutalen Gewalttaten — wer wird dann jemals die harten, kollektiven Entscheidungen treffen, die denjenigen Einhalt gebieten könnten, die die Vernunft immer wieder brüskieren?

Und wer wird der Nächste sein, der unter das Joch einer weiteren Diktatur gerät? Schlagen Sie Ihre Landkarte auf und werfen Sie einen Blick auf das sehr große Land der Ukraine. Seine südwestliche Grenze ist nur 802 Tausend Meter von Wien entfernt. Und das Land Ungarn, das im Osten an Österreich grenzt, wird von einem Autokraten, Viktor Orban, regiert, der ein Freund des russischen Diktators Wladimir Putin ist. Das ist der Korridor, durch den die russische Armee eines Tages unsere Grenze erreichen könnte. Die Aufrechterhaltung der Neutralität angesichts einer drohenden militärischen Bedrohung kommt einem Irrsinn gleich. Doch eine Verteidigungslinie zu errichten, erregt Aufmerksamkeit, und Aufmerksamkeit ist das Letzte, was eine verängstigte, unentschlossene und feige Bevölkerung wie die österreichische will. Natürlich gibt es Einzelne und kleine Gruppen von mutigen, entschlossenen und kühnen Menschen in Österreich — aber wenn man sich diese Menschen genauer ansieht, wird man nur sehr wenige finden, die sich als Österreicher identifizieren. Diejenigen von uns, die aus unterdrückerischen Gesellschaften kommen (ich bin US-Bürger) und in diesem kleinen, schönen mitteleuropäischen Land einen Hafen der intellektuellen Freiheit, des sozialen Gewissens und der moralischen Toleranz gesucht und gefunden haben, müssen sich auf ihre eigenen Werte besinnen und darauf, was Österreich lebens- und liebenswert macht.

Die Österreicher werden sich wahrscheinlich nicht erheben, um ihr eigenes Land zu verteidigen. Das haben sie bislang noch nie getan.

Worauf warten wir noch?
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We understand that the continuation of any (elected) government depends solely on the consent of the governed. We also understand that this principle, which springs from a humanitarian vision, does not apply to a population ruled by a dictatorial regime that springs from an authoritarian fantasy.

It is therefore logical that a population that decides en masse against dictatorial oppression and in favour of a humanitarian form of elected government agrees to endure further and even more drastic oppression than has been inflicted on them thus far.

Further, it is logical that those who are fortunate enough to pursue their dreams under an elected government that is beholden to the electorate and does not have absolute power over its people, raise their voices along with all the material resources available to their security services (e.g. army, air force, navy, marines, volunteer and professional medical corps) to defend the oppressed population, which legally and practically has no access to security services because the dictator who controls these services is not beholden to share his absolute power with the citizenry suffering under the yoke of oppression that he has established and built.

The decision to give fellow human beings the voice and materials to free them from a repressive regime depends, among other things, on how far one wants to go in dialogue or in the struggle against a dictatorship (and against its repeated, violent offenses) as a free-deciding population. Here, group self-confidence plays a decisive role. If there is a lack of united self-confidence in the democratically-led population, no decision is taken. In this case, there is no action, only reaction.

In a scenario in which a democratic country or an alliance of democratic countries, each of which “tolerates” an elected government as long as it does its collective bidding, only reacts, neglecting to act because the population cannot bring itself to make a decision, a determined dictatorship is in a position to take over the leadership of the democratic country or the alliance or to influence it to such an extent that it remains passive in the face of the authoritarian dictator’s willingness to act aggressively. If, however, the democratic-led country or alliance decides (by means of a referendum, for example) to support the oppressed with all available means, the population must be aware that any intervention that interrupts the fantasies of a dictator will have serious consequences. Fear plays a decisive role here.

The question now is, which path will be chosen — while one is still able to cast his/her vote at all? Is self-confidence and determination actually expressed, or does fear become so great that the individual prefers to silence his/her voice, thus turning his/her back on the oppressed?

And, after we - the indecisive, the frightened, the spoiled - openly watch a war being waged in full, public view — including serial rape, deliberate setting of mines and other cowardly acts of brutish violence — against democracy, against freedom of choice and against all reason, who will ever make the hard, collective choices that might put a stop to those who snub reason over and over again?

And who will be next to come under under the yoke of yet another dictatorship? Open up your map and take a look at the very large country of the Ukraine. Its southwestern border is a mere 802 thousand meters from Vienna. And the country of Hungary, which borders Austria to the east, is ruled by an autocrat, Viktor Orban, who is a friend to the Russian dictator, Vladimir Putin. That is the corridor across which the Russian army may one day soon reach our border. Maintaining neutrality in the face of an imminent military threat is tantamount to insanity. Yet setting up a line of defense attracts attention, and attention is the last thing a scared, indecisive and historically cowardly populace wants. Of course there are individuals and small grouping of courageous, decisive and bold people in Austria — but if you take a closer look at these individuals, you will find very few who identify as Austrians. Those of us from oppressive societies (I’m a US citizen) who have sought and found a haven of intellectual freedom, social conscience and moral tolerance in this small, beautiful Central European country will need to remind ourselves of our own values and why we choose to live here.

Austrians will likely not rise to defend their own country. They never have.

What are we waiting for?

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Nikolay is an occasional writer, beekeeper, gardener, translator and full-time worry wort beacause he’s a full-time father.

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Nikolay

Author, Teacher, Gardener, Beekeeper, Partner, Dad